- Artikel-Nr.: Vorbild
Heute am 20. Mai 2024 wäre Michael Gienger 60 Jahre alt geworden. Wer ihn gekannt hat, wird ihn nie vergessen. Michael ist weit mehr als der Begründer der modernen Steinheilkunde und der Autor einer großen Reihe maßgeblicher Bücher, die in viele Sprachen übersetzt wurden und auch international einen neuen Standard setzten. Er starb in seinem 50. Lebensjahr, hinterließ jedoch ein Werk, das eigentlich mehrere Leben erfordert hätte.
Ich habe Michael bereits 1987 kennengelernt und kam durch ihn zur Steinheilkunde. Ich war bei seinen ersten Kursen dabei, war „der Schüler“ in der Forschungsgruppe Steinheilkunde in der Steinstraße in Stuttgart, wurde 3 Jahre sein persönlicher Schüler in einem naturmystischen Zusammenhang und nahm an seiner 1. Ausbildung 1994-1996 teil. Dann leitete ich den von ihm ins Leben gerufenen Steinheilkunde Verein. Zu vielen Themen arbeiteten wir zusammen, und ergänzten unsere Perspektiven, daher führte er mich oft in seinen Büchern als Informationsquelle an.
Wer also war Michael Gienger?
Michael war ein Mensch mit einem Herzen so groß wie er selber. Er war für viele, die ihn näher kannten ein Vorbild, und das konnte er sein, weil er zahlreiche Fähigkeiten in einer Vollkommenheit auf sich vereinte, die für den Einzelnen eher unerreichbar schienen. Die folgende Auflistung ist durchaus unvollständig…
Er war gewissenhaft, verantwortungsbewusst und gründlich. Einmal beklagte ich die widerlichen Arbeitsbedingungen in einer schmutzigen Lagerhalle meines Studentenjobs. Darauf erzählte er von einer Aushilfstätigkeit in einer chemischen Fabrik, wo er giftigen Dämpfen ausgesetzt war und mit Säuren zu tun hatte. Er hatte sich vorgenommen, auch diese Arbeit perfekt durchzuführen. Und darüber hinaus, diese Arbeit zu lieben. Das bewog mich, meine vorzeitige Kündigung zurückzuziehen, meinen Job gut zu machen, worauf sich in der Firma einiges zum Besseren veränderte.
Michael war großzügig und förderte wohlwollend. Viele Beispiele ließen sich finden. Zwei Mal hat er mir Steine geschenkt. Das erste Mal war 1988. In seinem Kurs lobte er meine positive Entwicklung in einer mir sehr lang erscheinenden Rede und schenkte mir eine kleine Sammlung von Heilsteinen, mit denen er bereits gearbeitet hatte, über die er selbst jedoch hinausgewachsen war. Ich habe von dem, was nach dem ersten Satz kam, nichts mehr mitbekommen, alles ausgeblendet. 2005 schenkte er mir zum Geburtstag einen großen tiefblauen Aquamarinkristall, den ich hüte wie meinen Augapfel und der mir immer wieder ein Ansporn ist, das Beste zu geben und meine Fähigkeiten weiter zu verbessern.
Er war visionär. Michael schrieb lange Gedichte und wenn er sang, konnte das einen zu tiefst berühren. Er konnte motivieren und sah das Potential und das Gute in jedem Menschen. Er sah das Leben als ein Spiel, wo alle gewinnen können und den Menschen als einen selbstbestimmten, spirituellen Spieler.
Er war zutiefst naturverbunden, konnte mit gut 30kg Gepäck Berge besteigen und wochenlang draußen übernachten. Er konnte so mit der Natur verschmelzen, dass er vor unseren Augen bei Tageslicht sich unsichtbar machen konnte, gemorpht zu einem moosigen Felsbrocken oder einem knorrigen Baum. Natürlich konnte er gutes oder schlechtes Wetter machen und forderte dies auch von seinen Schülern.
Er hatte sich die Fähigkeit der Einfühlung erworben. Mitte der 1980er Jahre, auf dem Weg zu seiner Heilpraktikerausbildung in Stuttgart, hatte er es sich zur Angewohnheit gemacht, hinter jemand die Gangart imitierend, herzulaufen. Nicht als Clown, sondern um den Menschen von innen zu verstehen, seine Gefühle wahrzunehmen. Einmal stand er neben zwei Touristen am Wanderparkplatz vor der großen Wanderkarte. Sie konnten ihr Ausflugsziel nicht finden, hatten aber nicht ausgesprochen, wo sie hinwollten. Michael hatte sich versehentlich eingefühlt und zeigte mit dem Finger auf der Tafel den gesuchten Ort: „in einer Stunde können Sie dort sein.“ und hinterließ zwei völlig fassungslose Wanderer. Mir gab er fürs Abi den Tipp: „Gib dem Besten in Mathe die Hand. Und fühle Dich in ihn ein, wie fühlt es sich an, der Checker zu sein. Das speicherst Du dann in Dir.“
Michael Gienger wusste scheinbar alles. Er kannte sich überall und umfassend aus. Er las alles. Philosophie, Geowissenschaft, Quantenphysik, Chemie, alles zum Thema Wasser, Psychologie, Geschichte, Astrophysik, Astronomie, Astrologie, Naturheilkunde, Homöopathie, TCM, Religion, er war politisch bestens informiert, sehr kritisch und immer auf dem Laufenden. Und er dachte immer weit über das Vordergründige hinaus und war in der Lage, Denksysteme zu abstrahieren und gänzlich neu zu kombinieren. Er hatte die Fähigkeit, komplexeste Sachverhalte absolut nachvollziehbar und gedächtnisfreundlich darzustellen, ein Wissenschaftsjournalist par excellence, gesegnet mit einem Elefantengedächtnis für Sinnzusammenhänge, Situationen und Personen.
Er war ein hervorragender Therapeut, energetischer Heiler und ein sensationeller Berater. Und all diese Fähigkeiten wusste er gut weiterzuvermitteln.
Michael war sich seiner Fähigkeiten und seines Wissens bewusst und definitiv kein Tiefstapler. Dennoch war er niemals überheblich, besserwisserisch, verbohrt oder in irgendeiner Weise abwertend. Wir haben ihn gleichzeitig selbstbewusst und absolut bescheiden erlebt. Vorbehaltlos und geistig offen konnte er von jedem Gesprächspartner dazulernen. Ebenso wie er bereit war, sein Wissen rückhaltlos zu teilen.
Michael war gesellig, eigentlich ein Familienmensch. Er pflegte Kontakte zu Jugendfreunden, und sein enger Freundeskreis wuchs stetig weiter. Er konnte Menschen vernetzen, Gemeinschaften aufbauen und aufrechterhalten, Streit schlichten und Sinn stiften. Trotz seines unvorstellbaren Arbeitspensums setzte er sich selbstlos für seine Freunde, Schüler oder sogar für ihm wenig bekannte Menschen ein.
Michael konnte sich wehren. Gegen Vereinnahmung, Missbrauch seines guten Namens, Vertragsbrüche, auch vor Gericht mit Erfolg. Weniger leicht fiel es ihm, sich nicht ausnutzen zu lassen. Auch gegen unseriöse Verkaufsmaschen ging er vor und entlarvte schonungslos unschöne Geschäftspraktiken um den „Australischen Amulettstein“.
Er war zutiefst ehrlich, aus Überzeugung, zu jeder Person, zu Geschäftspartnern. Ehrlichkeit war auch im Handel sein Anliegen. Er machte sich bei gewissen Firmen unbeliebt, denn er klärte über Fälschungen und FakeStones auf und gab wichtige Impulse für die Entwicklung des GKS-Siegels für Gemmologisch Kontrollierte Steinqualität und für korrekte Deklaration der Steine.
Er konnte Erfolge feiern und genießen: Gutes Essen, gute Musik, gute Filme, gute Comics, gute Gesellschaft. Uns gingen niemals die Gesprächsthemen aus. Er besaß viel Humor, manchmal mit etwas Sarkasmus gewürzt und konnte auch über sich selber lachen. Nach langen Seminaren konnte man noch bis tief in die Nacht mit ihm zusammensitzen, er gehörte stets zu den Letzten, die sich zum Schlafen zurückzogen.
Es ist unglaublich wertvoll, mit einem so wertvollen Menschen befreundet gewesen zu sein und von einem solchen Vorbild lernen zu können.